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Lebensqualität und Wohlbefinden im hohen Alter

Johanna Liebe

Das NRW Forschungskolleg GROW befasst sich mit dem Wohlbefinden älterer Menschen und zielt auf die Entwicklung konkreter Maßnahmen zur Verbesserung des Wohlbefindens ab. Die Doktorand:innen identifizieren dafür im Rahmen ihrer Promotionsprojekte praxisrelevante Ressourcen und Barrieren für das Wohlbefinden bis ins hohe Alter.

Grundlegend für die Forschung des Kollegs ist das Konzept der Lebensqualität, auf welches im Folgenden eingegangen wird.

Begriffsklärung Lebensqualität und Wohlbefinden

Die WHO definiert das Konzept Lebensqualität wie folgt: „Lebensqualität ist die subjektive Wahrnehmung einer Person über ihre Stellung im Leben in Relation zur Kultur und den Wertsystemen, in denen sie lebt und in Bezug auf ihre Ziele, Erwartungen, Standards und Anliegen.“ Darunter wird ein „weitreichendes Konzept [verstanden], das vollständig von der körperlichen Gesundheit, dem psychischen Zustand, dem Grad der Unabhängigkeit, den sozialen Beziehungen, den persönlichen Überzeugungen und ihrer Beziehung zu hervorstechenden Merkmalen ihrer Umgebung beeinflusst wird“ (WHO, 1997). Während die WHO in ihrer Definition lediglich auf die subjektive Wahrnehmung von Lebensqualität eingeht, ist für uns ein weitreichenderer Ansatz, der sowohl subjektive als auch objektive Indikatoren umfasst, zentral. Lebensqualität ist ein mehrdimensionales Konstrukt.

Das vom niederländischen Soziologen Veenhoven entwickelte Konzept „Die Vier Qualitäten des Lebens“ erfüllt die Bedingung der mehrdimensionalen Betrachtung, indem es sich eingehender mit den verschiedenen Facetten der Lebensqualität auseinandersetzt. Diese Mehrdimensionalität Veehovens hat sich in der bisherigen interdisziplinären Forschung bereits als nützlich erwiesen (Wagner et al., 2018).

Veenhoven bezieht sich in seinem Konzept auf zwei Dichotomien. Demnach gibt es zum einen die Unterteilung zwischen „Möglichkeiten und Ressourcen“ und „Ergebnisse“. Ersteres, was auch Lebenschancen genannt wird, wird als die individuellen Möglichkeiten im Leben definiert. Dahingegen umfassen die Lebensergebnisse die daraus resultierenden Ergebnisse wie die individuelle Bewertung des Lebens. Die Möglichkeiten eines guten Lebens und das gute Leben an sich hängen zwar miteinander zusammen, aber sind nicht zwangsläufig das gleiche. Denn trotz guter Lebensmöglichkeiten kann die Lebensqualität subjektiv als schlecht bewertet werden. Andererseits können die Lebensergebnisse trotz anfänglich geringer Lebensmöglichkeiten gut ausfallen, wenn Menschen viel aus dem eigenen Leben herausholen (Veenhoven, 2000). Die zweite Dichotomie befasst sich mit der „äußeren“ (Umwelt) und „inneren Lebensqualität“ (Person). Während unter „äußerer Qualität“ die Qualität des Umfelds einer Person wie die Infrastruktur und die sozialen Kontakte verstanden wird, umfasst die Kategorie „innere Qualität“ die Eigenschaften des Einzelnen. Hierbei werden individuelle Faktoren wie Gesundheit, Bildung, Überzeugungen und Kompetenzen des Einzelnen betrachtet (Veenhoven, 2000).

Die verschiedenen Kombinationen der zwei Dichotomien bilden eine Vierfelder-Matrix:

Beispielsweise bildet der Quadrant aus "Lebensmöglichkeiten" und "äußeren Lebensqualitäten“ die „Lebensqualität der Umwelt“ ab. Diese versteht sich auch als die objektive Betrachtung von Lebensqualität und lässt sich durch Indikatoren wie Einkommen, Gesundheit, Wohnen, soziale Netzwerke und Bildung messen. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend definiert (objektive) Lebensqualität als „Ausmaß der zu Verfügung stehenden Ressourcen (…), sowohl die personenbezogenen Ressourcen als auch jene (…) Ressourcen, die durch Umwelt und Infrastruktur bereitgestellt werden“ (BMFSFJ, 2002).

Eine Erweiterung dieses Konzepts stellt das CHAPO-Modell der NRW80+-Studie dar (mehr Informationen zu dem Projekt finden Sie hier), bei dem erstmals ein normativer Ansatz in die Matrix integriert wird (Wagner, et al., 2018). Demnach werden neben dem objektiven und subjektiven Ansatz zur Lebensqualität, eine externe gesellschaftliche Perspektive miteinbezogen. Diese besteht aus den Werten und Ziele älterer Menschen, die ihren Alltag leiten und regulieren. Daher umfasst Lebensqualität das Verhältnis von individuellen Bedingungen als Ist-Zustand und den Ansprüchen als Soll-Vorstellungen.

Fokus von GROW: Wohlbefinden im hohen Alter

Da sehr alte Menschen in Deutschland den am stärksten wachsenden Anteil der Bevölkerung darstellen, erwächst die Notwendigkeit, ihre Lebensbedingungen zu untersuchen und verbesserte Bedingungen für Lebensqualität und Wohlbefinden im hohen Alter zu entwickeln.

An der Universität zu Köln ist das Projekt „Lebensqualität und Wohlbefinden hochaltriger Menschen in NRW (NRW80+)“ angesiedelt, welches die Lebensqualität der über 80-Jährigen in Nordrhein-Westfalen untersucht. Das Ziel ist eine zukünftige Forschung, die Ergebnisse für eine nachhaltige Sozialpolitik im Allgemeinen und im Speziellen für ältere Menschen liefert (Wagner, et al., 2018).

Die Forschungsarbeit von GROW basiert ebenfalls auf dem Konzept von Lebensqualität und knüpft an den Erkenntnissen und am integrativen Rahmenkonzept der NRW80+-Studie an. Ziel ist es, das Wohlbefinden älterer Menschen in Nordrhein-Westfalen zu untersuchen. Demnach wird sich vermehrt auf das Konzept von Wohlbefinden, welches als Facette von Lebensqualität eingeordnet wird, fokussiert.

Daher ist für GROW der Quadrant unten rechts in der Matrix von großer Bedeutung. Dieser ergibt sich aus dem Zusammenspiel von "Lebensergebnissen" und "innerer Lebensqualität", woraus die "Wertschätzung des eigenen Lebens" resultiert (Veenhoven, 2000). Dieser Quadrant spiegelt das Konzept des subjektiven Wohlbefindens wider. Subjektives Wohlbefinden, das als eine Zielgröße und ein Teilkonstrukt von Lebensqualität verstanden wird, ist definiert als die subjektive Bewertung des eigenen Lebens (Brown, Bowling, & Flynn, 2004). Darunter werden emotionale Reaktionen auf Ereignisse sowie die individuelle kognitive Bewertung von Zufriedenheit und Erfüllung verstanden (Diener, Lucas, & Oishi, 2002).

Bei der Forschungsarbeit von GROW steht daher die Untersuchung der erlebten Alltagsituationen von Hochaltrigen, deren psychische Belastung und deren Zufriedenheit in der Reflexion im Fokus.

 

Literaturverzeichnis

Bennett, J., & Riedel, M. (2013). Was beeinflusst Lebenszufriedenheit im hohen Alter? . Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, S. 21-26.

BMFSFJ. (2002). Vierter Bericht zur Lage der älteren Generation. Berlin.

Brown, J., Bowling, A., & Flynn, T. (2004). Models of quality of life: a taxanomy, overview and systematic review of the literature.

Diener, E., Lucas, R., & Oishi, S. (2002). Subjective Well-Being: the science of happiness and life satisfaction. Handbook of positive psychology, S. 463-473.

Rott, C., & Jopp, D. S. (2012). Das Leben der Hochaltrigen. Wohlbefindentrotz körperlicher Einschränkungen. Bundesgsundheitsbaltt, S. 474-480.

Sirgy, J. (2001). Handbook of Quality-of-Life Research: An Ethical Marketing Perspective. Dordrecht: Kluwa Academic Publishers.

Veenhoven, R. (2000). The Four Qualities of Life. Ordering Concepts and Measures of a Good Life. . Journal of Happiness Studies, S. 1-39.

Wagner, M., Rietz, C., Kaspar, R., Janhsen, A., Geithner, L., Neise, M., . . . Zank, S. (2018). Quality of life of the very old: Survey on quality of life and subjective well-being of the very old in North-Rhine Westphalia (NRW80+). Zeitschrift für Gerontologie und Geriantrie 2, 193-198.

WHO. (1997). WHOQOL Measuring Quality of Life.

Winkler, R. (2020). Lebensqualität pflegebedürftiger älterer Menschen: Eine Längsschnittstudie unter Berücksichtigung des Pflegeheimeinzugs. Wiesbaden: Springer.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Four Qualities of Life  (Veenhoven, 2000) 1

Abbildung 2: The challenges and potentials (CHAPO) model of quality of life in very old age (Wagner, et al., 2018) 3