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Alter(n)sbilder - Chancen, Herausforderungen und Risiken

Hanna Wilmes

Alter(n)sbilder sind im gesellschaftlichen Kontext entscheidend dafür, wie über das Alter, Altern und ältere Menschen gesprochen wird1. Sie können so für Teilhabe, Integration und Handlungsspielräume in der Gesellschaft bestimmend sein. Im Zuge von gesellschaftlichen und individuellen Aushandlungsprozessen, werden tradierte Vorstellungen und Überzeugungen aufgelöst, sodass neue Formen und Leitbilder des Alter(n)s entstehen2. Dabei zeichnet sich nicht nur ein einziges Alter(n)sbild ab. Vielmehr werden verschiedene Bilder durch den jeweiligen Kontext geprägt3. Durch die Formierung neuer Leitbilder stellt sich die Frage, wie diese gestaltet sein müssen, um der Realität des Alter(n)s in seiner Vielfältigkeit gerecht zu werden. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) weist im 6. Altenbericht (2010) bereits auf die gesellschaftliche Relevanz und die damit verbundene Problematik hin: „Die Verwirklichung von Entwicklungsmöglichkeiten im Alter kann durch Altersbilder, welche Stärken und Schwächen übersehen, erheblich erschwert werden. Dies zum einen, wenn Menschen ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten unterschätzen und bestehende Chancen nicht ergreifen, zum anderen, wenn Menschen infolge ihres Alters Möglichkeiten vorenthalten werden“4. Alter(n)sbilder und ihre Wirkmächtigkeit lassen sich auf verschiedenen gesellschaftlichen, kulturellen sowie individuellen Dimensionen ausmachen5. Folglich dienen diese Vorstellungen als Informationsquelle über das Alter(n) und beeinflussen so auch Selbst- und Fremdbilder6, die ihrerseits auch einen Erfahrungs- und Deutungshorizont bilden. Diese legen in Situationen, in denen man mit dem Alter(n) konfrontiert wird, bestimmte Wahrnehmungs-, Deutungs- und Handlungsschemata nahe.

Medialer Kommunikation ist eine große Bedeutung dafür beizumessen, wie im öffentlichen Raum über Alter, Altern und ältere Menschen gesprochen wird. Gerade weil Medien oftmals einen zentralen Erfahrungsort darstellen und dabei Auseinandersetzungsprozesse anstoßen, ist es wesentlich, die dort kommunizierten Alter(n)sbilder kritisch zu hinterfragen. Alter(n)sbilder können heutzutage selten getrennt vom medialen Kontext betrachtet werden, da beides Phänomene sind, die sich auf gesellschaftlichen, kulturellen und individuellen Dimensionen äußern und so alltägliches Handeln durchdringen. Deshalb ist es von Bedeutung, sich der Wirkung von Alter(n)sbildern im medialen Kontext bewusst zu werden, deren Inhalt stets auf Realitätsnähe zu prüfen, um so eine alter(n)ssensible Kultur zu etablieren.

Die aktuelle COVID-19-Situation zeigt exemplarisch, welchen Einfluss und welches Ausmaß die mediale Berichterstattung haben   und welche Relevanz der Ausgestaltung von Alter(n)sbildern zugeschrieben werden kann, da diese maßgeblich die öffentlichen Diskussionen leiten. Momentan ist zu beobachten, dass älteren Menschen eine gesellschaftliche Position zugeschrieben wird, die sie als eine homogene besonders vulnerable Gruppe fasst. Es ist also eine generalisierende, einseitige Darstellung älterer Menschen zu beobachten, die oftmals der Realität des Alter(n)s nicht entspricht7. Häufig greifen Medien in diesem Zusammenhang auf spezifische Frames (Rahmen) zurück, welche bestimmte Eigenschaften älterer Menschen besonders hervorheben, sodass es den Anschein erwecken mag, dass die Mehrheit der älteren Bevölkerung dieser einen Gruppe entspricht und deshalb besonders geschützt werden muss. In diesem Kontext wird meist über ältere Menschen gesprochen8. Die Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG) hat diesbezüglich Handlungsempfehlungen ausgesprochen, wie eine öffentliche Kommunikation zu dieser Thematik gelingen kann, die Altersdiskriminierungspraktiken entgegenwirkt9. Die DGGG verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Wirkung und die damit verbundenen gesellschaftlichen Konsequenzen, insofern ein Alter(n)sbild, welches Menschen als schwach oder als zu beschützende Bevölkerungsgruppe darstellt, dazu führt, dass bestimmte Handlungsspielräume verwehrt bleiben können: „Es entsteht das Bild von älteren Menschen als Mitglieder der Gesellschaft, die in Bezug auf die Coronapandemie ohne Handlungsspielräume und ohne Stimme (ohne ‚Agency‘) sind“10. Die einseitig generalisierenden Praktiken können dazu führen, dass ältere Menschen nicht in ihrer Heterogenität und Diversität wahrgenommen werden und sich demzufolge Altersdiskriminierungspraktiken etablieren können, welche die Chancen und Potenziale des Alter(n)s übersehen.

Auch in der Werbung sind Alter(n)sbilder von Relevanz. Im Werbekontext werden allerdings häufig Alter(n)sbilder gezeichnet, die ältere Menschen als besonders aktiv und unabhängig darstellen. In diesem Zusammenhang kann eine positive Verzerrung der Realität dazu führen, dass Maßstäbe gesetzt werden, die aufgrund verschiedener (sozialer) Ressourcen nicht umsetzbar sind und infolgedessen einen Leistungsdruck erzeugen können, der sich auf das Wohlbefinden älterer Menschen auswirkt11.

Es stellt sich also die Frage, wie ein Alter(n)sbild gestaltet sein müsste, um den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen, Chancen und Risiken gerecht zu begegnen. Dabei geht es nicht um eine besonders positive oder negative Darstellung, sondern vielmehr darum, ein Alter(n)sbild zu konstituieren, welches der Realität des Alter(n)s in ihrer ganzen Diversität und Heterogenität gerecht wird. Ein Alter(n)sbild, das bestimmte positive Eigenschaften des Alter(n)s beschönigt, ist genauso irreführend, wie die Fokussierung auf negative Aspekte des Alter(n)s12. Oder wie Pichler es zusammenfasst: „Die Herausforderung für die Schaffung zukünftiger Altersbilder besteht darin, dieser Spaltung entgegenzuwirken und die Dichotomien nicht einseitig aufzulösen. Dazu ist es notwendig den (alten und jungen) Menschen in seiner Doppeldeutigkeit als Subjekt und Objekt zu begreifen, der weder nur autonom noch nur abhängig ist, der nicht nur aktiv ist, sondern Passivität als konstitutive Bedingung von Handlungsfähigkeit anerkennt“13. Alter(n) ist in seiner Vielfalt weder nur positiv noch nur negativ. Durch die Überwindung der binären Vorstellung von positiv und negativ können Bilder und damit Vorstellungen entstehen, die beide Pole und alles dazwischen umfassen. Erst durch die Akzeptanz des Alter(n)s in seiner Vielfältigkeit können Alter(n)sbilder entstehen, die als Leitbilder für gesellschaftliche, soziale und politische Fragestellungen dienen können und so Handlungsspielräume eröffnen, die auch für zukünftige Debatten leitend sind. Partizipation und Integration können damit gestaltet und gelebt werden, denn die „Zukunft des Alters und des Alterns ist in erheblichem Maße durch Altersbilder bestimmt“14.


[1] Slaby, S. (2006). Altersbilder - Normative Wirkungen und Ansätze zur Weiterentwicklung. Berlin: Mensch-und-Buch-Verlag.

[2] Amrhein, L., Backes, G. M., Harjes, A., & Najork, C. (2014). Alter(n)sbilder in der Schule. Wiesbaden: Springer VS

[3] BMFSFJ. (2010). Sechster Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland - Altersbilder in der Gesellschaft. Berlin: Deutscher Bundestag.

[4] ebd.

[5] Wurm, S., & Huxhold, O. (2012). Sozialer Wandel und individuelle Entwicklung von Altersbildern. In F. Berner, J. Rossow, & K.-P. Schwitzer, Individuelle und kulturelle Altersbilder (S. 26-69). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

[6] Levy, B. (2003). Mind Matters: Cognitive and Physical Effects of Aging Self-Stereotypes. The Journals of Gerontology: Series B, 58(4), S. 203-211.

[7] Gellert, P. & Kessler E.-M. (2020) Öffentliche Kommunikation und Berichterstattung zu Corona & Alter: Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG), Sektion III (Sozial- und Verhaltenswissenschaftliche Gerontologie). Berlin: Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie

[8] ebd.

[9] ebd.

[10] ebd.

[11] Loos, E., & Ivan, L. (2018). Visual Ageism in the Media. In L. Ayalon, & C. Tesch-Römer, Contemporary Perspectives On Ageism (S. 163-176). Cham: Springer Open.

[12] Göckenjan, G. (2009). Die soziale Ordnung der Generationenfolge. In J. Ehmer, & O. Höffe, Bilder des Alterns im Wandel: historische, interkulturelle, theoretische und aktuelle Perspektiven (S. 103-114). Halle (Saale); Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH.

[13] Pichler, B. (2010). Aktuelle Altersbilder: "junge Alte" und "alte Alte". In K. Aner, & U. Karl, Handbuch Soziale Arbeit und Alter (S. 415-426). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

[14] BMFSFJ. (2010). Sechster Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland - Altersbilder in der Gesellschaft. Berlin: Deutscher Bundestag.